Geschichtliches zur Pfarrkirche St. Georg

Als weithin sichtbares Wahrzeichen über dem sanft abfallenden Erner Feld nimmt die 1214 erstmals bezeugte Pfarrkirche den prominentesten Platz in der Gemeinde ein.

Archäologische Grabungen 1964-1968 konnten als Vorgängerbau eine dreischiffige Basilika des 11.Jahrhunderts nachweisen, die später zu einer Saalkirche mit Turm erweitert worden war (s. Grundriss S.12). Der Neubau der Pfarrkirche erfolgte 1510-1518 durch den Prismeller Baumeister ULRICH RUFFENER (als Prismeller werden die Baumeister aus der Walserkolonie im Val Sesia bezeichnet). Mit Ausnahme eines Portalanbaus von 1611 gibt es kaum Hinweise auf grössere Umbauten bis ins 19. Jahrhundert. Erst die Neugotisierung, 1862-1865 nach Plänen von ANTONIO CROCI (1823-1884) aus Mendrisio (des Architekten der Kirche im benachbarten Lax) brachte einen schwerwiegenden Eingriff: Einzug eines vierjochigen SpitzbogengewöIbes und Neubefensterung im Schiff, Anbau von Seitenkapellen, Vergrösserung des Chorbogens, Absenken des Chorniveaus und Sakristeianbau im Süden. Die Restaurierung 1964-1968 entfernte diese Änderungen des 19. Jahrhunderts und versuchte, die spätgotische Disposition wiederherzustellen.

Das Kirchenschiff präsentiert sich heute als einfacher Baukörper ohne Portalvorbauten. Die westseitige Giebelfront dominiert die Dorfansicht. Der stark eingezogene Polygonalchor im Osten wird durch Strebepfeiler gestützt. Im Gegensatz zur weissverputzten Kirche zeigt der Turm in der linken Chorschulter kräftiges Hausteinmauerwerk.

Im Innern bestimmen die schlichte, dem Vorbild von 1518 nachempfundene Felderdecke, die Orgelempore von 1677 und die erhöht stehenden, ausladenden Seitenaltartriptychen den breiten, gedrungenen Raumeindruck. Mit diesem konkurrenziert der helle, vom spätgotischen Sterngewölbe überspannte Chorraum. Die vegetabile Dekorationsmalerei seines Gewölbes sowie die Bekrönungsmalerei des Sakramentshäuschens sind wohl beide 1518 vom Meister HR (HANS RISCHINER, Sitten?) ausgeführt worden. Von der ehemals reichen Ausmalung des Schiffes konnten bei der letzten Restaurierung bedeutende Fragmente an der linken Wand freigelegt werden. Die kraftvollen Figuren sind Teil eines in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts entstandenen Apostelzyklus.

Neben dem Ruffener-Bau ist es in erster Linie die kostbare, aus verschiedenen Epochen stammende Ausstattung, die der Pfarrkirche Bedeutung verleiht. Den Hochaltar schnitzte 1758-1761 PLACY SCHMID aus Disentis, der den Régence-Altar – im Gegensatz zu einheimischen Meistern – plastisch durchformte. Das zweiteilige Chorgestühl, 1666 von GEORG MATTIG, Mörel, und HANS SIEGEN, Lötschen, ist aufwendig mit Spätrenaissance-Ornamentik verziert. Bei den Seitenaltartriptychen handelt es sich um breitangelegte, zweigeschossige Aufbauten, die je drei Altäre zusammenfassen. Sie entstanden um 1720 in der Werkstatt von ANTON SIGRISTEN (um 1700-1745) aus Glis, der mit seinem bewegten Figurenstil in der Oberwalliser Barockskulptur einen Höhepunkt schuf. In die gleiche Zeit zu datieren ist die barocke Kanzel. Die Orgel baute CHRISTOPHER AEBI (1642-1693), Solothurn, in den Jahren 1679/80. Gleichzeitig entstand auch der Taufstein, von dessen Spätrenaissance-Aufsatz 1980 der Skulpturenschmuck entwendet wurde. Demselben Kunstraub fiel die heute durch eine Kopie ersetzte, hochgotische Pietà von Mühlebach zum Opfer.

Die Pfarrkirche besitzt ferner eine Gruppe teils ausgezeichneter, spätgotischer Skulpturen: Im Chorbogen das Triumphkreuz, um 1510-1520. An der linken Schiffswand hl. Georg mit ungewöhnlich grossem Drachen, 1. Viertel des 16. Jahrhunderts, vor originaler Hintergrundmalerei. Ein Kleinod ist der Nothelferaltar aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Viele Stilmerkmale weisen darauf hin, dass er im Umkreis der Berner Nelkenmeister und des damals in der Aarestadt tätigen EHRHART KUNG (um 1420-1507) entstanden sein kann. An der rechten Schiffswand Fragmente eines Flügelaltars, um 1520: Muttergottesstatue zwischen Flügelreliefs. Aus dem frühen 16. Jahrhundert die qualitatvollen Statuen der HI. Magdalena und Katharina (aus der Kapelle von Mühlebach) sowie die Hl. Bischöfe Theodul und Martin (aus der Kapelle von Fürgangen).

 

(c) "Ernen und Umgebung", Roland Flückiger-Seiler und Benno Mutter, Schweizerischer Kunstführer GSK, Bern 1995, S. 11-14.